… einer steht da, den Blick zu den Füßen gesenkt,
auch die Erde steht still, weil er es noch so will …
SONNTAGMORGEN AUF DER PIAZZA von Panicale, der Bergstadt, zu früher Stunde das Wohnzimmer der Signori, der Reichen – denn unermeßlich ihr Reichtum, das Kostbarste: Zeit. Die Stunden ruhen noch, während sie sich hier versammeln. Hier schweigen. Hier sitzen auf Stufen rund um den Platz. Hier die Arme verschränken, die Beine, “L’Unità” auf den Knien, in den Augen den Schlaf dieser Nacht – oder ist’s die kommende schon?
Sie unterhalten sich, langsam wachen ihre Gesten auf. Oder unterhalten sich nicht, wandern still noch herum auf dem Platz, halten ein, aus Träumen erwachend, in Gedanken versinkend. Zwei, drei Schritte vorwärts, mit verschränkten Armen, dann eine Drehung, eine halbe – jetzt steht einer da, den Blick zu den Füßen gesenkt, auf der Piazza, auch die Erde steht still, weil er es noch so will. Vor der Bar liest einer die “Gazetta Sportiva”, er spricht leise mit, von Zeile zu Zeile wandert dabei der Kopf, mit unbewegter Miene ein andrer ihm lauscht, auf den Plastiksessel daneben gestützt.
Langsam werden die Kreise auf der Piazza enger, bei den Sesseln der Bar weitert sich drum der Kreis. In der Morgensonne sich selbst gefunden, finden sie jetzt auch Worte, die gewinnen an Boden,
ein Wort gibt das nächste, Rede und Widerrede. Die Stille, die zuvor auf der Piazza noch herrschte, ist dem Für und dem Wider, dem Aber und Falls gewichen, Bewegung kommt in die Worte – der
Pfarrer fährt zum zweiten Mal schon über den Platz, zweiter Gang im Herrn, den Blick starr geradeaus. Il Signore, grauhaarig, im hellblauen Hemd, muß gehen, den Stock in der Rechten, die “Umbra”
in der Linken, und zum Abschied schickt er noch einmal sein Credo, Lobgesang des Sonntagsfriedens in den eigenen Mauern, hinauf in den tiefblauen Morgenhimmel –
© Günter Exel